Herbert Burkhardt, Günter Schmidt

Drei-Rosen-Grabmal

 

Es war eine Herzensangelegenheit von Barbara Reichelt, ehemals Inhaberin des bekannten Geschäftes für Haushaltswaren, Glas und Porzellan, die Symbolik und Entstehung des Steines für die Nachwelt festzuhalten. Sie verstarb im Jahr 2007 im Alter von fast 79 Jahren.

Etwa 2 Monate vor ihrem Tode führte Günter Schmidt mit Barbara Reichelt noch Gespräche und konnte Notizen, so auch zur Grabsymbolik, machen. Weitere Informationen erhielten wir vom Stadtarchiv Karlsruhe, dem Friedhofsamt Emmendingen, aus dem "Emmendinger Heimatkalender" von 1982, sowie dem "Ekkhart-Jahrbuch" 1971.

Gründer der Drogerie W. Reichelt war im Jahr 1881 Wilhelm Reichelt I.. Kurze Zeit danach entstand der "Glasladen", wie er im Reicheltschen Sprachgebrauch hieß, im Hause nebenan.

Wilhelm Reichelt II. (verstorben 1948), der Sohn des Gründers, der das Geschäft übernahm, hinterließ Notizen, die auszugsweise erwähnt sein sollen:

"...die Reichelts stammen aus Breslau und sind als Textilarbeiter nach Lörrach eingewandert. Der Großvater (von Wilhelm Reichelt II.) arbeitete in der Koechlin-Baumgartnerschen Stoffdruckerei. Dort wurden für aller Herren Länder Stoffe in den wunderbarsten Farben bedruckt und manch ein türkisches Tuch kam sicherlich von dort wieder als besonders prunkvolles und teures, natürlich "echt türkisches" Stück wieder nach Deutschland, um geziemend bewundert zu werden..."

"...hervorstechende Eigenschaften meines Großvaters waren emsiger Fleiß und große Sparsamkeit. Ich erinnere mich noch an ein Sparkassenbuch, das mir mein Vater (Wilhelm Reichelt I.) zeigte und daß mein Großvater sich einige Tausend Gulden erspart hatte und ein eigenes Häuschen besaß..."

"...er ließ meinen Vater das Lyceum besuchen, an dem einst Hebel lehrte und ließ ihn als Einjährig-Freiwilligen dienen. Sicherlich eine Seltenheit bei einem Arbeitersohn..."

"...mein Vater wurde Kaufmann und reiste, bevor er in Emmendingen ansässig wurde, für eine Mannheimer Drogengroßhandlung. Meine Mutter war eine geborene Krayer, aus Mundingen stammend. Sie führte mit ihrer Mutter ein kleines Kolonialwarengeschäft, zuletzt in Miete in unserem heutigen Hausbesitz, den mein Vater (W. R. I.) käuflich erwarb. Er gab dann seine Reisetätigkeit auf und baute das Geschäft weiter aus..."

Wilhelm Reichelt II. war in erster Ehe verheiratet mit Anna geb. Häffner, die 35jährig im Jahr 1919 verstarb unter Zurücklassung ihres Ehemannes und der drei Kinder Heinz, Lotte und Waltraud.

Bald darauf heiratete W. R. seine zweite Ehefrau Clara geb. Odenwald, die noch sehr jung war und ihren Mann um 24 Jahre überlebte. Sie ist 1972 verstorben. Dieser zweiten Ehe entsprossen vier Kinder: Ruthilde, Herbert, Barbara und Evmarie.

Für das Grab der ersten Ehefrau Anna Reichelt geb. Häffner, das heutige Familiengrab, ließ Wilhelm Reichelt im Jahr 1921 dieses besondere Grabmal anfertigen. Die bildliche Darstellung zeigt in roten Sandstein gehauen zwei Frauen, eine etwas ältere und eine jüngere. Es sind dies die beiden Ehefrauen von Wilhelm Reichelt. Barbara erkannte an der Jüngeren Frau das Gesicht ihrer Mutter, so identisch hat der Bildhauer gearbeitet. Die Jüngere hält drei Rosen in ihrem Schoß, die sie von der Älteren erhalten hat.

Wie kam es zu diesem interessanten Abbild? Wilhelm Reichelt war in jungen Jahren zur Ausbildung in Karlsruhe. Dort hatte er den jungen Bildhauer Hermann Föry kennen gelernt und sich mit ihm angefreundet. Jahre später, Wilhelm Reichelt war inzwischen schon in zweiter Ehe verheiratet, erfuhr er von einer Pechsträhne Förys und dessen Arbeitslosigkeit. Der erfolgreiche Geschäftsmann W. R. bot Föry an, dass er ihm Essen und Unterkunft für einige Monate gibt, wenn Föry ihm als Gegenleistung in dieser Zeit einen Bildstein für das Grab seiner ersten Frau erstelle. Föry sagte zu und schuf in wenigen Monaten im Innenhof des Reicheltschen Anwesens (Emmendingen, Marktplatz 11) das stattliche Kunstobjekt. 

Grabmal Ausschnitt

Die drei Rosen symbolisieren die drei Kinder der verstorbenen Mutter, deren Fürsorge sie nun in die Obhut der jungen Frau gab.

Veröffentlicht im HachbergMosaik, Ausgabe Nr. 8, November 2019